Ich habe lange darüber nachgedacht, was mich genau antreibt, mittlerweile zum dritten Mal in Folge das histocamp mitzuveranstalten. Die Organisation ist gerade als Vorstandsmitglied in verantwortlicher Leitungsfunktion jedes Jahr mit großem Aufwand, viel ehrenamtlicher Tätigkeit, größeren und kleineren Pannen, der stetigen Unsicherheit, ob alles auch klappen wird, und manchmal auch blanken Nerven verbunden. Es sind vor allem zwei Gründe, ein professioneller und ein emotionaler, die meine Motivation ausmachen.
Ich organisiere gern und habe auch schon einige Erfahrung darin. Von privaten Festen, über universitäre Sommerakademien und wissenschaftlichen Tagungen bis hin zu größeren Musik- und Theaterfestivals habe ich vor dem histocamp bereits viele verschiedene Veranstaltungen in unterschiedlichsten Funktionen (mit-)organisiert. Es macht mir Spaß, innovative Ideen umzusetzen, kurzweilige Programme zu konzipieren, ansprechende Inhalte zu überlegen, konkrete Abläufe zu planen, interessante Partner und Beteiligte kennenzulernen und für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, gelegentlich sogar Plakate oder Flyer zu designen. Ja, auch das Mitteleinwerben und -verwalten mag ich tatsächlich recht gerne, selbst wenn es meist damit verbunden ist, Anträge zu schreiben, Klinken putzen zu gehen, viel herumzurechnen, Zahlen zu jonglieren, gegebenenfalls auch die Spaßbremse zu geben, wenn etwas zu teuer wird. Das sind alles Herausforderungen, denen ich mich immer wieder gerne stelle und sogar Krisen und Pannen sehe ich als Möglichkeit, zu wachsen. Gerade im Veranstaltungsbereich ist man sowieso häufiger damit konfrontiert, in kurzer Zeit und nicht selten mit wenig Geld das Unmögliche möglich zu machen. Mich reizt es, mein Gehirn in alle Richtungen zu dehnen, um passende Lösungen zu finden.
Das ist die professionell-technische Sicht der Veranstaltungs- und Projektmanagerin.
Doch bei aller Liebe zu Prozessen und Abläufen funktioniert es für mich nicht, wenn ein wichtiges Element fehlt, nämlich die Menschen. Ein kleiner Umweg über eine aktuelle Begebenheit, die mich zum Nachdenken über ehrenamtliches Engagement allgemein gebracht hat, soll das verdeutlichen: Schon sehr lange bin ich Mitglied in der DFG. Aufpassen, liebe Akademiker*innen, ich meine damit die „Deutsch-Finnische Gesellschaft e.V.“, die sich seit 1952 mit ihrer Arbeit für die Förderung der deutsch-finnischen Beziehungen einsetzt, nicht unseren hassgeliebten Fördermittelriesen. In der aktuellen Ausgabe der Vereinszeitschrift berichtet in der Rubrik DFGAktiv ein Verantwortlicher der Gruppe DFG NRW über ein Austrittsgesuch, das er erhalten habe. Die Begründung im Abschiedsbrief: Man könne „die so wichtigen Leistungen in Zeiten des Internets, der Direktbuchungen, des Skypens, der Billigflieger usw. auch anderweitig […] haben.“ (Ausgabe Nr. 173, Juni 2017, 49. Jahrgang, S. 11)
Dies lässt nicht nur den Verantwortlichen ratlos zurück: „Habe ich da etwas missverstanden? War denn die DFG eine Dienstleistungs- und Service-Gesellschaft?“ Nein, das war sie nie und ist es auch jetzt nicht! „Die vielen kulturellen Veranstaltungen, die regelmäßigen „Finntreffs“, die Stammtische, der Schüleraustausch […], sie alle halten Jahr für Jahr genau die menschlichen und individuellen Verbindungen und Kontakte lebendig, die die modernen und auf Erwerb ausgerichteten Dienstleister gar nicht erbringen können oder wollen. Und dann sind wir genau bei der emotionalen Heimat […].“ (Ebda.)
Das histocamp könnte man sicher gut – vielleicht sogar besser, wer weiß das schon! – über eine hippe Eventagentur abwickeln, quasi als neue „Histo-Dienstleistung“, was auch immer man darunter verstehen und vor allem wem verkaufen möchte. Aber dann fehlt mir genau das, was der DFG-Verantwortliche beschreibt: die menschlichen Kontakte, die emotionale Heimat.
Es ist also auch ein starker, gefühlsmäßiger Grund, der mich antreibt, jedes Jahr aufs Neue ehrenamtlich das histocamp mitzuorganisieren: Mir geht es um die Menschen. Einmal um die Menschen, die sich in unserem Verein Open History e.V. engagieren. Mit ihnen darf ich wunderbare Ideen diskutieren und umsetzen; dann um die Menschen, die am histocamp teilnehmen. Mit ihnen darf ich Geschichte neu und anders denken. Erst sie machen für mich das histocamp mit all seinen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, Abläufen, Herausforderungen zu einer Veranstaltung, die es wert ist, dass ich mich dafür engagiere. Und dieser Wert liegt gerade eben nicht in einem ökonomischen, dienstleisterischen Verständnis, sondern im Gefühl, gemeinsam etwas auf die Beine gestellt und bewegt zu haben.