Foto: C. Jahnz

Das histocamp 2017 in Darmstadt war für mich zugleich altbekannt und doch völlig neu, in jedem Fall etwas sehr Besonderes. Altbekannt, weil es sich in der allgemeinen Veranstaltungsorganisation wenig von den beiden vorherigen unterschied, weil ich meine Aufgaben, i. e. das Controlling, die Betreuung „meiner“ Ressorts und die Absprachen mit den Kooperationspartnern, vor allem mit unserer Gastgeberin, der Schader-Stiftung, beibehalten habe, und weil ich es wieder als Teil eines hochmotivierten, wunderbaren Teams, mit dem ich über die vergangenen Jahre zusammengewachsen bin, organisieren durfte.

Völlig neu war das histocamp dieses Jahr für mich, weil ich im August Mama geworden bin. Meine Erfahrungen, mit Baby ein histocamp zu organisieren und zu besuchen, möchte ich mit Euch teilen ähnlich wie es Janine hier gemacht hat. Außerdem treiben mich einige Überlegungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Wissenschaft um, die ich aus den Gesprächen mit euch mitgenommen habe und an denen ich zwischenzeitlich ein wenig herumgedacht habe.

Hochschwangere Histocamp-Orga

Die histocamp-Planung als Orga-Teammitglied mit Baby ist im nachhinein betrachtet tatsächlich wenig neu gewesen. Obwohl ich zuletzt stolze 106cm Bauchumfang und 15kg mehr Gewicht im heißen Hochsommer 2017 mit mir herumschleppte, war ich bis kurz vor der Geburt in der Orga aktiv. Mir kam zu Gute, dass ich eine sehr unbeschwerte Schwangerschaft mit praktisch keinen gesundheitlichen Einschränkungen hatte, eine gute Grundfitness für die anstrengende Zeit mit Babykugel in der Sommerhitze mitbrachte und dass wir frühzeitig einen Vertretungsplan für mich im Vorstand erstellt hatten, der es mir erlaubte, mich auf kurzen Zuruf  hin in die Babypause zu verabschieden.  Die von mir als Vertretungszeitraum vorgesehene „Mutterschutzfrist“ von 6 Wochen vor der Geburt habe ich daher tatsächlich gar nicht ausgenutzt, sondern konnte sogar noch über den Entbindungstermin hinaus einige Dinge zu Ende führen. Unser Vorstandsteam mit Charlotte, Johannes und Wenzel hat es dann nach der Geburt für mich möglich gemacht, dass ich mich letztendlich fast 12 Wochen und damit weit über das übliche Wochenbett hinaus in Ruhe erholen und unsere kleine Familie entspannt zusammenwachsen konnte. Die drei haben mir zu jeder Zeit das Gefühl vermittelt: „Wir wuppen das! Nimm die Zeit, die du brauchst!“ Dass ich mich zwischendurch doch immer wieder eingeklinkt habe, liegt in meiner gschaftelhuberischen Natur. Als ich etwa zur Oktobermitte wieder voll in die letzten Planungen einstieg, waren die großen und kleinen Aufgaben, die ich seit dem Frühjahr mit vorbereitet hatte, auch zum Großteil abgearbeitet. Wir hatten trotz der großen Schwierigkeit, dass unser Orgateam von Jahr zu Jahr kleiner wird, am Ende sogar noch die Kapazitäten die wunderbare Aktion #histodings durchzuführen.

Familienausflug zum histocamp

Unsere persönliche Planung und Vorbereitung des histocamp-Besuchs als Familie war schließlich einfacher als gedacht: Bei der allgemeinen histocamp-Planung hatten wir als Veranstalter die Schader-Stiftung von vornherein um einen Rückzugs- und Erholungsraum für alle Teilnehmenden, besonders für Familien gebeten. Muttis und Vatis hätten dort ihren Nachwuchs stillen und wickeln, mit ihm spielen oder den Raum zum Schlafen und Erholen nutzen können. Ich schreibe „hätte“, denn tatsächlich waren wir die einzige Familie, die dieses Angebot genutzt hat.

Um zumindest beim histocamp präsent sein zu können, hatte ich außerdem frühzeitig meinen Mann gebeten als #histobabysitter mitzukommen. Er hat unsere Tochter das ganze Wochenende betreut und mir den Rücken frei gehalten. Wir haben es uns von Anfang an allerdings offen gehalten, wieviel ich mich an den beiden Tagen einbringen kann. Keiner von uns beiden sollte sich unter Druck gesetzt fühlen. Die Bedürfnisse unserer Motte hatten Priorität und die Option, kurzfristig die Zelte abzubrechen, bestand zu jeder Zeit.

A #histobabysitter’s life. #histocamp pic.twitter.com/gCmWwo28Db

— Lando ???????? (@lando_muc) 2. Dezember 2017


Erleichtert hat das der Umstand, dass wir privat übernachtet haben, wodurch eine Hotelbuchung und ggf. eine kostenpflichtige Stornierung entfiel. Wir sind mit dem Auto schon Donnerstagnachts angereist und mein Mann hat sich Freitag nach dem Aufstehen um unsere Motte gekümmert, so dass ich die früh anberaumte Teamsitzung leiten und bei den restlichen Vorbereitungen dabei sein konnte. Die persönliche Vorbereitung inklusive der langen Autofahrt mit vielen Pausen hat unsere Motte gut mitgemacht, auch wenn die ungewohnte Schlafumgebung trotz bekannter Rituale abends zu längerer Einschlafzeit und nachts zu mehreren wachen Stunden geführt hat. Das histocamp-Adrenalin hat die Müdigkeit bei mir aber offenbar weggespült.

Zwei Tage campen mit #histobaby

Da wir uns schon vorher im Vorstand darauf geeinigt hatten, den einführenden, begrüßenden Teil der Veranstaltung durch abwechselnde Moderation durch die Teammitglieder dynamischer zu gestalten, hat auch die Durchführung des histocamps für mich entspannt begonnen. Während meine Tochter bei meinem Mann war, habe ich das histocamp zusammen mit Alexander Gemeinhardt und Saskia Flegler von der Schader-Stiftung eröffnet und dann die Moderation an das Orga-Team weitergegeben. Am zweiten Tag hat das wegen akuter Kuschelwilligkeit meiner Kleinen nicht geklappt, so dass ich sie einfach ins Tragetuch gesetzt und mit ihr die Bühne betreten habe, um die Teilnehmenden zu begrüßen.

Ich feier das #histobaby auf der Bühne total ab. #histocamp pic.twitter.com/3mfqA3bP7S

— Marc L. (@sadfsh) 2. Dezember 2017

Kurz habe ich überlegt, ob das angebracht ist. Dann habe ich diesen Gedanken schnell weggewischt und mir gedacht, dass die histocamp-community für gewöhnlich in jeder Hinsicht eine sehr aufgeschlossene und tolerante ist. Eure Reaktionen im persönlichen Gespräch oder auf Twitter danach haben mir gezeigt, dass ich mit dieser Einschätzung richtig lag.

Zum Diversity-Ansatz des #histocamp gehörte es sogar, möglichst jungen Menschen Redezeit einzuräumen – #histobaby von @karolinedoering hat z. B. Tag 2 des #histocamp eindrucksvoll mit eröffnet. ☺️

— Miriam Menzel (@MiriamMenzel) 3. Dezember 2017

Den Ablauf des histocamps hat mein #histobaby so gut mitgemacht, dass ich bis auf die Still-, Wickel-, Spiel- und Kuschelpausen nicht nur für das Orga-Team viel präsent sein, sondern sogar Sessions besuchen und eigene Sessions anbieten konnte.  Zusammen mit @_NathalieB habe ich einen #schreibsprudel veranstaltet, während meine Tochter bei ihrem Papa im Rückzugsraum geschlafen hat. Spontan und ebenfalls ohne Baby konnte ich zur Session von Charlotte und Johannes zur Zukunft des histocamps und von Open History e. V. dazustoßen. Bei der gemeinsamen Session #histobaby mit Moritz brachte mein Mann das quengelig gewordene Anschauungs- und Diskussionsobjekt einfach nach. Ich habe so gesehen nicht sehr viel weniger mitgecampt als damals ohne Baby in Mainz oder Bonn. Sich im Trubel gelegentlich in den ruhigen Erholungsraum zurückziehen und die Nase in den warmen Nacken meines Babys stecken zu können, habe ich außerdem als sehr schöne und entspannende Pause empfunden.

Mit Baby auf Konferenz?

Meiner diesjährigen Erfahrung nach lässt sich ein knapp vier Monate altes Baby, das schon ein bisschen selbstständig ist, nicht gerade voll im Entwicklungsschub steckt und an die Bezugsperson, die es betreut, in unserem Fall an den Papa, gewöhnt ist, gut auf das histocamp mitbringen – sogar wenn man, wie in meinem Fall, auch offizielle Verpflichtungen dort hat. Dass es den Rückzugs- und Erholungsraum gab und dass es das Format erlaubt, spontan zu Sessions dazuzustoßen oder diese zu verlassen und „Störungen“ wie das Hereinreichen eines #histobabys allgemein toleriert werden, empfand ich ebenfalls von Vorteil für den unbeschwerten Tagungsbesuch.

Als Mitveranstalterin ist das histocamp für mich natürlich ein Heimspiel. Ich kann mein Baby also hier herumschleppen wie ich lustig bin. Ob ich den Mut habe, das Baby, später Kleinkind, auch in anderen beruflichen Kontexten mit anderer Etikette mitzunehmen, weiß ich nicht. Ich habe es mir jedenfalls vorgenommen.

Unser Fach ist wohl kinderlos auch auch diesem Grund: Kinder sind bei uns unsichtbar. Ein großer Teil des weiblichen, wissenschaftlichen Personals ist – ich unterstelle zum Teil ungewollt – kinderlos. Meiner Erfahrung nach haben auch nicht allzu viele des männlichen Teils in meinem Alter Kinder und wenn, dann widmet sich der andere Elternteil hauptsächlich der Erziehung oder es ist für die Väter nur mit größeren, bürokratischen und auch gesellschaftlichen Mühen verbunden, dasselbe zu tun. Dass Kinder für mich zumindest unsichtbar sind, liegt sicher vorrangig an der prekären Arbeitssituation, meines Erachtens aber auch daran, dass Kinder als Störung, als Umstand, als Zumutung empfunden und kommuniziert werden. Dabei würde gerade das freizügige und flexible Arbeiten ohne Stempeluhr in der Wissenschaft mit etwas Um-die-Ecke-Denken und mehr Toleranz auf allen Seiten viele Möglichkeiten bieten, dass Mütter und Väter in der Zeit der Kindererziehung nicht völlig aufs wissenschaftliche Abstellgleis geschoben werden, wenn sie das nicht möchten. Die Akzeptanz regelmäßiger Home Office-Tage und flexibler Arbeitszeiten, in denen ich in Ruhe arbeiten kann, ohne befürchten zu müssen, dass Chef*innen und Kolleg*innen über meine Abwesenheit lästern; ein kleines Kabuff in der Bibliothek, in dem ich die Spieldecke ausbreiten und die Fachliteratur, die ich für einen Aufsatz oder mein nächstes Buch brauche, lesen kann, vielleicht sogar einen „nach Hause Buchversand“; ein unkomplizierter und nicht horrend teurer Digitalisierungsservice des Archivs speziell für mich als Mutter, damit ich von daheim aus „im Archiv“ arbeiten kann (oder gleich mehr digitalisierte Archivalien. Mütter und Väter tauchen in der Digitalisierungsdiskussion bisher überhaupt nicht als Nutzer*innen auf, bemerke ich gerade); eine Hilfskraft, die mir einige Stunden in ihrer Arbeitszeit ausschließlich für meine wissenschaftlichen Belange, zum Beispiel das Kopieren und Scannen von Fachaufsätzen, das Layouten meiner Manuskripte nach den Wünschen des Verlags/des Repositoriums, das Überprüfen von Fußnoten in der Bibliothek o. ä. zur Verfügung steht. Besonders für promovierende Mütter und Väter, die einem großen Druck ausgesetzt sind, Familie und beginnende Karriere unter einen Hut zu bekommen, stelle ich mir solche kleinen Möglichkeiten, von denen mir noch viele einfallen würden, als Erleichterungen vor, um den Arbeitsalltag mit Baby zu organisieren.

Jede*r hat persönliche Gründe, warum er/sie das Baby nicht auf eine wissenschaftliche Tagung, ins Archiv, in die Bibliothek oder an andere Arbeitsorte mitnimmt und ja, es ist nicht fein, wenn das Baby seine Milch auf die purpurne Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu aus dem 10. Jahrhundert spuckt (wie wahrscheinlich ist das?), aber für die anderen Hemmnisse können wir doch zusammen diesen Riesenblock „Vereinbarkeit“ in kleine, handliche Stücke zerhauen, indem wir Schritt für Schritt kreative Lösungen denken und neue Wege gehen, wie wir die Betreuung von Babys und Kindern mit unseren beruflichen Aufgaben vereinen können.

Baby wollte heute nur von mir betreut werden. #mitbabyinsarchiv #histobaby #promovierenmitkind pic.twitter.com/YtMhf9VX4V

— Janine Funke (@janinefunke) 14. Dezember 2016

Schreibe einen Kommentar

Kooperationspartnerinnen histocamp 2021

Sponsor*innen histocamp 2021